Nachhaltigkeit - Verantwortung für die Zukunft
Hans Carl von Carlowitz (1645 – 1714), Oberberghauptmann am kursächsischen Oberbergamt in Freiberg, gilt als Begründer des Prinzips der Nachhaltigkeit. Angesichts einer drohenden Holzverknappung am Ende des 17. Jahrhunderts formulierte von Carlowitz 1713 in seinem Werk "Sylvicultura oeconomica" erstmals, dass immer nur so viel Holz geschlagen werden sollte, wie durch planmäßige Aufforstung wieder nachwachsen kann. Damit legte er den Grundstein für die deutsche Forstwirtschaft und das Prinzip des nachhaltigen Umgangs mit Rohstoffen.
Große Bedeutung erlangte von Carlowitz als Verfasser des ersten eigenständigen Werkes über die Forstwirtschaft „Sylvicultura oeconomica“ oder „haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur Wilden Baum-Zucht“. Darin fasste er das forstliche Wissen seiner Zeit zusammen, erweiterte es durch eigene Erfahrungen und formulierte erstmalig das Prinzip einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung. 1713 stellt wurde das Werk erstmals auf der Ostermesse in Leipzig vorgestellt. 2013 feiert es sein 300. Jubiläum.
Von Carlowitz steht in einer langen Entwicklungsreihe. Von Carlowitz hat die verschiedenen Fäden aus der Vergangenheit zusammengeführt und in seinem Buch verdichtet, von da aus werden sie später weitergeführt. In der Sylvicultura oeconomica wird der Umgang mit Ressourcen im Sinne einer forstlichen Nachhaltigkeit in dynamischer, nutzungsorientierter Weise definiert.
Von Carlowitz ist nicht Erfinder von Nachhaltigkeit, doch hat er das Wort (die Wortfamilie) geschöpft und den Begriff geprägt. Die ethische Komponente ist wesentliche Leistung der Sylvicultura oeconomica. Der Bildungsbegriff und der Aufbau des Expertentums sind in dem Werk begründet. Cotta und Hartig haben den Begriff später in die Praxis umgesetzt.
Seitdem verstehen sich die Förster als Hüter der Nachhaltigkeit. Forstwirtschaft heute ist eine beispielhafte, moderne Art der Nutzung mit dauerhaftem Ressourcenerhalt.
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Ein forstlicher Begriff macht Karriere
"Global denken – lokal handeln" und die Agenda 21
Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde im Laufe der Jahre ständig erweitert und hat sich zu einem komplexen Aufgabenbündel mit lokalem und globalem Blickwinkel entwickelt. Die Agenda 21 (lat.: Aufgabenkatalog) ist dabei ein wichtiger Meilenstein und das herausragende Abschlussdokument der Umweltkonferenz von Rio de Janeiro 1992. Sie wurde von 179 Staaten unterzeichnet und stellt einen Wendepunkt in der internationalen Umweltpolitik dar. Sie enthält erstmalig einen für die Unterzeichnerstaaten verbindlichen Aufgabenkatalog. Ein übergeordnetes Ziel ist die Nachhaltigkeit in allen Bereichen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene. Es folgte 1993 in Finnland die Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa mit der Verabschiedung der "Helsinki-Resolution". Ziel des Helsinki-Prozesses ist der Erhalt, der Schutz, die Förderung und die Verbesserung der zahlreichen Waldfunktionen.
Initiativen der EU-Kommission
Die EU-Kommission hat 1998 eine Forststrategie verabschiedet, in der sie die Bedeutung der Wälder und die Notwendigkeit einer nachhaltigen Bewirtschaftung hervorhebt. 2005 schlug die Kommission die Ausarbeitung eines Forstaktionsplans auf Grundlage nachhaltiger Waldbewirtschaftung vor. Im Juni 2006 verabschiedete sie einen Fünfjahresplan (2007 - 2013) mit 18 Schlüsselaktionen. Zu den Zielen des Fünfjahresplans gehören die Verbesserung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit, die Verbesserung und der Schutz der Umwelt und die Erhöhung der Lebensqualität. Die langfristige, multifunktionelle Forstwirtschaft, die aktuelle und künftige gesellschaftliche Anforderungen erfüllt und forstbezogene Existenzen sichert, schafft Wälder für die Gesellschaft. Die Schlüsselaktionen werden in den EU-Mitgliedsstaaten, in Deutschland in den Bundesländen, durch zahlreiche Initiativen mit Leben erfüllt.
Das Zieldreieck der Nachhaltigkeit zeigt den Umfang des heute sehr umfassenden und komplexen Begriffs:
- die Bewahrung der Vielfalt der Schöpfung mit den natürlichen Lebensgrundlagen für uns und kommende Generationen (ökologische Dimension)
- gleiche Chancen, Wohlstand, Bildung und Kultur für alle (soziale Dimension)
- eine leistungsfähige Wirtschaft, die nachfolgenden Generationen keine Probleme hinterlässt (ökonomische Dimension)
Auch die Bewahrung des geistigen Erbes, der Mythen und Traditionen, der schöpferischen, moralischen und künstlerischen Errungenschaften des Menschen gehören zu einem umfassenden Nachhaltigkeits-Begriff (kulturelle Dimension).
Aus forstlichem Blickwinkel gesehen bedeutet das Nachhaltigkeit der Holzerträge, der Holzerzeugung, der Gelderträge und der Vielfachnutzung (Schutz- und Erholungsfunktionen).
Nachhaltige Waldbewirtschaftung - eine europäische Aufgabe
Anlässlich der 4. Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa (MCPFE, Wien 2003) verpflichteten sich die unterzeichnenden Staaten, darunter Deutschland, und die Europäische Gemeinschaft , die "Verbesserten gesamteuropäischen Indikatoren für die nachhaltige Waldbewirtschaftung" anzuwenden (gekürzt):
- Waldressourcen und ihr Beitrag zu globalen Kohlenstoffkreisläufen
Waldfläche, Holzvorrat, Altersstruktur, Durchmesserverteilung, Kohlenstoffvorrat
- Gesundheit und Vitalität von Waldökosystemen
Ablagerung von Luftschadstoffen, Bodenzustand, Nadel- und Blattverlust, Waldschäden
- Produktive Funktionen der Wälder
Holzzuwachs und Holzeinschlag, Rundholz, Nichtholzprodukte, Dienstleistungen, Bewirtschaftungspläne
- Biologische Vielfalt in Waldökosystemen
Baumartenzusammensetzung, Verjüngung, Natürlichkeitsgrad, eingebürgerte Baumarten, Totholz, genetische Ressourcen, Landschaftsmuster, gefährdete Waldarten, geschützte Wälder
- Schutzfunktionen in der Waldbewirtschaftung
Schutzwälder (Boden, Wasser, Klima, Lärm, Immissionen, Sicht)
- Sozioökonomische Funktionen und Bedingungen
Eigentümerstruktur, Anteil am Brutto-Inlandsprodukt, Reinertrag der Forstbetriebe, Investitionen in die Forstwirtschaft, Arbeitnehmer in der Forstwirtschaft, Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, Holzverbrauch pro Kopf, Holzhandel (Import-Export), Energiegewinnung aus Holz, Erholungswald, kulturelle und spirituelle Werte
Botschafter der Nachhaltigkeit: Markus Bölling als Hans-Carl von Carlowitz (1645 - 1714) im historischen Gewand
1713 veröffentlichte der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz das Werk "Sylvicultura Oeconomica - Anleitung zur wilden Baumzucht". Es gilt als erstes umfassendes Werk zur Idee der Nachhaltigkeit am Beispiel der Forstwirtschaft. Dieses von Dr. Joachim Hamberger fiktiv geführte Interview mit Carlowitz erläutert und erklärt die Kernaussagen des Buches und die Leitidee der Nachhaltigkeit. In diesem Interview werden das Denken und die Persönlichkeit Carlowitz' erlebbar.
Kaum ein Begriff hat in den vergangenen Jahren so viel Karriere gemacht wie der der Nachhaltigkeit. Längst aber wurde er seiner eigentlichen Bedeutung beraubt.