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Die niedersächsische Küstenfischerei zukunftsfähig ausrichten

Fischereidialog startet – Ziel ist ein Konzept aus genutzten und fischereifreien Flächen in der Nordsee


Hannover/Wilhelmshaven. Wie kann die niedersächsische Küstenfischerei so entwickelt und unterstützt werden, dass sie langfristig wirtschaftlich und ökologisch tragfähig ist? Wie können rechtliche Vorgaben und anerkannte Umwelt- und Naturschutzziele umgesetzt und zugleich eine nachhaltige Küstenfischerei im niedersächsischen Küstenmeer erhalten werden? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Auftaktveranstaltung des niedersächsischen Fischereidialogs am 28. April in Wilhelmshaven.

Auf Einladung von Fischereiministerin Miriam Staudte und Umweltminister Christian Meyer nahmen Vertreterinnen und Vertreter der niedersächsischen Küstenfischerei, der Wissenschaft, der Umweltverbände sowie der Küstengemeinden und der beteiligten Behörden teil. Bei der Entwicklung von Lösungen orientiert sich Niedersachsen auch an den Vorschlägen der auf Bundesebene tätigen Zukunftskommission Fischerei – kurz ZKF.

Der Fischereidialog nimmt insbesondere zwei Aspekte in den Blick. Die niedersächsische Küstenfischerei soll zukunftsfähig und nachhaltig – das heißt wirtschaftlich und ökologisch tragfähig – ausgerichtet werden. Und: Rechtliche Vorgaben und anerkannte Umwelt- und Naturschutzziele sollen umgesetzt und gebietsbezogen konkretisiert werden. Dazu wurde heute im Rahmen der Auftaktveranstaltung vereinbart, dass das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (MU) und das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) ein „Fachkonzept Küstenfischerei und Naturschutz für das niedersächsische Küstenmeer“ erarbeiten. Das Ergebnis soll ein differenziertes Flächenkonzept aus fischereilich genutzten und fischereifreien Flächen in der Nordsee sein. Es herrschte außerdem Einigkeit darüber, dass es – wenn der Fischereisektor nachhaltig verändert und zukunftsfähig aufgestellt werden soll – Planungssicherheit und finanzielle Mittel für notwendige Investitionen braucht. Daher setzen sich Fischereiministerin Miriam Staudte und Umweltminister Christian Meyer beim Bund dafür ein, die Mittel der Fischereikomponente den niedersächsischen Betrieben zugänglich zu machen.

Fischereiministerin Miriam Staudte: „Die Branche steht derzeit vor enormen Herausforderungen. Da sind zum einen die Anforderungen der EU-Biodiversitätsstrategie und die Auswirkungen der Klimakrise, zum anderen hat die notwendige Energiewende zur Folge, dass immer mehr Fanggründe teilweise temporär aber überwiegend dauerhaft verloren gehen. Zusätzlich unter Druck sind die Betriebe auch durch die in den letzten Jahren erfolgten erheblichen Kostensteigerungen bei gleichzeitig geringer werdenden Fängen. Mit dem Fischereidialog wollen wir die erforderlichen Veränderungsprozesse aktiv gestalten. Es ist gut, dass alle Beteiligten nun an einem Tisch sitzen. Dabei muss das Ziel klar sein: Konkrete Vorschläge für eine nachhaltige Fischerei in Niedersachsen entwickeln, die eine möglichst breite Akzeptanz finden. Denn: Kutter gehören seit je her zu Niedersachsen – sie sollen auch zukünftig das Bild an der Nordseeküste prägen.“

Umweltminister Christian Meyer: „Die Klima- und Biodiversitätskrise hat spürbare Auswirkungen auf die Nordsee und das Weltnaturerbe Wattenmeer. Wir müssen besondere Anstrengungen unternehmen, um die Widerstandsfähigkeit der Meeresökosysteme zu stärken und durch Klimaschutzmaßnahmen wie den Offshore-Ausbau die Geschwindigkeit der Klimaerwärmung reduzieren. Die Fischerei ist durch alle diese Faktoren betroffen. Ein abgestimmtes Schutz- und Nutzungskonzept ist die Grundlage für ein gutes Miteinander von Naturschutz und Fischerei im Nationalpark und für eine nachhaltige und langfristig tragfähige niedersächsische Küstenfischerei.“

Prof. Dr. José Martinez (Geschäftsführender Direktor am Institut für Landwirtschaftsrecht der Georg-August-Universität Göttingen und Moderator des Dialogs): „Die Küstenfischerei ist ein traditionsreicher, identitätsstiftender und zugleich stark gefährdeter Wirtschaftszweig. Mit dem Fischereidialog bietet Niedersachsen eine Plattform, auf der zentrale Interessengruppen auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch kommen können. Ziel ist es, sowohl die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Fischerei als auch den Schutz der marinen Ökosysteme – insbesondere im Wattenmeer – nachhaltig miteinander in Einklang zu bringen. Die anstehenden Aufgaben sind komplex und zum Teil konfliktbehaftet. Gerade deshalb braucht es einen fairen, sachorientierten und transparenten Austausch. Ich freue mich, diesen Prozess begleiten zu dürfen.“

Dirk Sander (Präsident des Landesfischereiverbandes Weser-Ems): „Als Fischer sind wir daran gewöhnt, mit Veränderungen klarzukommen, wir brauchen aber den Raum, uns anpassen zu können. Ohne die Fanggründe in den Wattenmeernationalparks kann die Fischerei an der Nordseeküste nicht überleben. Wir hoffen, im Dialog eine langfristig tragfähige Perspektive für die Fischerei zu erreichen!“

Dr. Olaf von Drachenfels (NABU): „Zunehmende Flächenkonkurrenzen in den Meeresgebieten und verfehlte Umweltziele erfordern aus Sicht des NABU eine grundlegende Neuausrichtung der Fischerei. Dabei müssen unter anderem die rechtlichen Vorgaben für Nationalparke und Natura 2000-Gebiete sowie die Kriterien für einen günstigen Erhaltungszustand der marinen Ökosysteme mit ihren Tier- und Pflanzenarten im Fokus stehen. Gemäß dem erfolgreichen Konzept des Niedersächsischen Wegs für den Naturschutz im Binnenland sollte der Fischereidialog zu einer konsensorientierten Bewältigung der bestehenden und künftigen Aufgaben im niedersächsischen Küstenmeer beitragen.“

Hilke Looden (Bürgermeisterin der Gemeinde Krummhörn): „Die Küstenfischereibetriebe sind als Familienbetriebe in den Hafen-Gemeinden tief verwurzelt und teils seit Generationen bedeutende Wirtschaftsbetriebe. Hinzu kommen die jeweils vor- und nachgelagerten Wirtschaftszweige. Lebendige Küstenfischerei, mit aktiven Kuttern in den Häfen, ist bei uns ein Stück unserer regionalen Identität und für den Tourismus ein wichtiger Attraktivitätsfaktor, der unbedingt erhalten werden muss! Vor diesem Hintergrund begrüßen die Vertreter der Küstengemeinden ausdrücklich die Initiative der Niedersächsischen Landesregierung, mit dem Fischereidialog gemeinsam auf das Ziel einer zukunftsfähigen Küstenfischerei, im Einklang mit den Anforderungen des Meeresnaturschutzes, hinzuarbeiten.“

Auf der nächsten Sitzung voraussichtlich im letzten Quartal 2025 soll den Teilnehmenden ein Vorschlag für ein differenziertes Flächenkonzept aus genutzten und fischereifreien Flächen in der Nordsee vorgestellt werden.


Hintergrund:


Die EU-Biodiversitätsstrategie sieht bis 2030 die effektive Unterschutzstellung von 30 Prozent der deutschen Meeresfläche vor – sowohl in der so genannten Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), als auch im Küstenmeer. Mindestens ein Drittel davon – also zehn Prozent der Meeresfläche – ist streng zu schützen. Der Nationalpark (NLP) Niedersächsisches Wattenmeer umfasst große Teile des niedersächsischen Küstenmeeres, wodurch das 30-Prozent-Ziel der EU-Biodiversitätsstrategie bereits erfüllt ist. Ein Defizit besteht derzeit noch bei der Ausweisung von streng geschützten Gebieten, das heißt, dem 10-Prozent-Ziel. Innerhalb der bestehenden Schutzgebietskulisse (insbesondere im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer) sollen daher genutzte und fischereifreie Flächen bestimmt werden.

Auch die Umsetzung der notwendigen Energiewende stellt für die Küstenfischerei eine große Herausforderung dar. Offshore-Windparks stehen zwar weit entfernt von den niedersächsischen Küsten, doch bedürfen sie der Trassenanbindung an Land. Als Kompensationsflächen geltend und mit Sicherheitskorridoren versehen, stehen die fertigen Windparks für eine fischereiliche Nutzung nicht mehr zur Verfügung. Seit einigen Jahren verzeichnen die Betriebe außerdem sinkende Fangzahlen. Ein Grund dafür könnten klimatische Veränderungen sein.

Bei der Entwicklung von Lösungen orientiert sich Niedersachsen u.a. an den Empfehlungen der auf Bundesebene tätigen Zukunftskommission Fischerei – kurz ZKF. 40 Vertreterinnen und Vertreter – unter anderem von Fischerei und Umweltverbänden – hatten kürzlich Vorschläge für eine nachhaltige, wirtschaftlich resiliente und damit zukunftsfeste deutsche Meeresfischerei in Nord- und Ostsee veröffentlicht. Weitere Informationen gibt es unter https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/020-fischerei-nord-ostsee.html.

Seit dem Jahr 2023 stehen dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) Mittel in Höhe von 134 Millionen Euro der Fischereikomponente aus dem Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) zweckgebunden zur Finanzierung von Maßnahmen zur umweltschonenden Fischerei einschließlich Fischereistrukturmaßnahmen zur Verfügung. Durch den Haushaltsausschuss des Bundestages wurden unter anderem bereits Mittel für Maßnahmen für die Entwicklung und Erprobung umweltschonenderer Fanggeräte und -methoden, zur gezielten Kapazitätsanpassung (Abwrackung) der deutschen Fischereiflotte sowie zum Aufbau und für die Unterstützung einer „Koordinierungsstelle Transformation Fischerei“ freigegeben.

An den niedersächsischen Küsten liegen insgesamt 114 Fischereifahrzeuge, die von 317 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewirtschaftet werden – darunter fünf Fahrzeuge der Muschelfischerei und 88 Krabbenkutter in 17 Fischereihäfen.


Artikel-Informationen

erstellt am:
28.04.2025

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