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Agrarminister Christian Meyer: Scheitern des Wischi-Waschi-Tierwohl-Labels ohne Pflichtkennzeichnung ist wahrscheinlich

AMK-Vorsitzender für Systemwechsel bei EU-Agrarbeihilfen zum Umbau der Tierhaltung und Agrarwende – Messerundgang auf der Grünen Woche


HANNOVER/BERLIN. Zum Start der Internationalen Grünen Woche in Berlin hat der diesjährige Vorsitzende der Agrarministerkonferenz (AMK) aus Bund und Ländern, Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer, einen Systemwechsel bei den milliardenschweren EU-Agrarbeihilfen verlangt. Das Ziel: Weg vom Geld für Fläche „und hin zur Honorierung für Tier-, Umwelt- und Naturschutz“, so Meyer. „Denn dort sind die Herausforderungen für den gesellschaftlich gewünschten Umbau der Tierhaltung am größten. Das zu finanzieren, ist Teil eines neuen Generationenvertrages.“ Der AMK-Vorsitzende: „Statt jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf zu treiben und den Siegel-Dschungel durch ein zusätzliches Label noch undurchsichtiger zu machen, sollte Bundesagrarminister Christian Schmidt die Vorschläge der Agrarminister der Länder für eine Pflichtkennzeichnung verbindlich aufgreifen.“ Das sei rechtlich möglich und würde „alle in Deutschland gehandelten Produkte verbraucherfreundlich kennzeichnen“, so Meyer heute (Freitag) bei seinem traditionellen Messerundgang.

Überhaupt räumt Meyer dem von Schmidt vorgesehenen Tierwohl-Label kaum Markt-Chancen ein. „Zu vage, zu beliebig und ohne Substanz“, so der AMK-Vorsitzende. „Es ist bezeichnend, dass Schmidt das Label vorstellt, die genauen Kriterien dafür aber noch gar nicht feststehen. Das ist Pfusch und dilettantisch.“ Der Minister sagte, er halte ein Scheitern des „Wischi-Waschi-Tierwohl-Labels ohne Pflichtkennzeichnung“ für „wahrscheinlich“.

Die Themen Tierhaltung und Tierschutz, Agrarkonsens und Agrarwende kamen nicht nur beim Halt des Ministers an niedersächsischen Ständen wie etwa der Arbeitsgemeinschaft „Urlaub auf dem Lande“, des Heidekreises, der Landesvereinigung der Milchwirtschaft und der Obstbauern aus dem Alten Land zur Sprache. Intensiv und kontrovers wurde darüber auch beim Treffen des AMK-Vorsitzenden mit dem Chef des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, sowie dessen Generalsekretär, Bernhard Krüsken, diskutiert. Meyers Fazit: „Die Gespräche waren durchaus konstruktiv. Wir nähern uns an. Bei den Verbänden tut sich etwas. Sie wissen, dass der Status Quo mit dem Beharren auf Wachsen oder Weichen zur Aufgabe weiterer Betriebe führen würde.“ Und sie wüssten, „dass wir Probleme bei Überdüngung und Tierhaltung gemeinsam angehen müssen, weil die Gesellschaft dies erwartet“. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher wollten wissen, „wie das, was sie essen, hergestellt wird“.

Kritik übte Meyer besonders daran, „dass dieses Label eine freiwillige Kennzeichnung vorsieht“. Da sei der Bundesminister „aber vollkommen auf dem Holzweg“. Meyer: „Wir brauchen doch jetzt nicht die Fortsetzung der Schmidt'schen freiwilligen Unverbindlichkeit.“ Notwendig sei vielmehr „eine verpflichtende, bundeseinheitliche und für alle Produkte geltende Kennzeichnung. Alles andere führt in die Irre und verwirrt die Verbraucherinnen und Verbraucher.“ Die Agrarministerkonferenz habe schon vor langer Zeit hilfreiche Vorschläge vorgelegt. „Ich weiß gar nicht, warum Herr Schmidt dies offenbar nicht zur Kenntnis nehmen will“, so Meyer. Er hält das von Schmidt angestrebte Tierwohl-Label auch deshalb für „unausgegoren“, weil es zunächst lediglich für Schweinefleisch gelten solle „und überdies auch der Start vollkommen ungewiss ist“. Schmidt spreche vom „nächsten oder übernächsten“ Jahr. Meyer: „So funktioniert Landwirtschaft aber nicht. Die Bauern wollen Planungssicherheit. Sie haben die Nase voll von Ankündigungen.“

Dass es anders und konkreter gehe, habe Niedersachsen unter Beweis gestellt. Meyer: „Was wir in der vergangenen Woche in Berlin mit einem Konzept für eine ‚Nationale Nutztierstrategie‘ vorgestellt haben, kann sich sehen lassen – sowohl vom Inhalt als auch von den Akteuren.“ Tatsächlich hatten sich neben Meyer die zwei früheren niedersächsischen Agrarminister Uwe Bartels und Gert Lindemann sowie der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, für eine solche „Nationale Nutztierstrategie“ stark gemacht. Der Plan: Entsprechend der Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik (WBA) Abschied vom Flickenteppich der ins Uferlose ausartenden Vorschläge für mehr Tierschutz und Tierwohl. Und stattdessen Kräftebündelung mit einem einheitlichen, stringenten Vorgehen – für die Zukunftsfähigkeit einer bäuerlichen Landwirtschaft und für eine den Tieren angepasste Haltung. Meyer: „Wir in Niedersachsen haben seit 2013 unter Rot-Grün den Tierschutzplan vorbildlich und erfolgreich umgesetzt. Er ist unbedingt geeignet, dem Bund eine Blaupause zu sein. Herr Schmidt sollte die Courage haben, auf ihn zurückzugreifen – statt undifferenzierte Tierwohl-Label vorzustellen.“

Meyer machte aber auch deutlich, dass ein Umdenken beim Umgang mit den EU-Agrarbeihilfen „unabdingbar“ sei. Der AMK-Vorsitzende: „Wir können beileibe nicht so weiterwursteln wie bisher. Mehr als 50 Milliarden Euro des EU-Etats, also viel Steuergeld, nur deswegen direkt an jemanden zu zahlen, weil er landwirtschaftliche Fläche besitzt, erinnert eher an feudale Strukturen. Das hat aber nichts mit dem so notwendigen nachhaltigen Ressourcenschutz und der Zukunftsfähigkeit nachfolgender Generationen zu tun.“ Meyers Forderung: „Schon jetzt, also in der laufenden EU-Förderperiode sind Umschichtungen von EU-Agrarbeihilfen zum Nutzen von mehr Tierschutz und zur Stärkung des ländlichen Raumes möglich. Niedersachsen und Schleswig-Holstein werden dazu eine Bundesrats-Initiative einbringen, um Herrn Schmidt die Arbeit etwas zu erleichtern.“

Meyer mahnte aber zugleich, dass für die kommende siebenjährige EU-Förderperiode ab 2020 „bereits dieses Jahr erste Pflöcke eingeschlagen werden“. Der Bund und Bundesagrarminister Schmidt dürften „diese Phase nicht verschlafen“. Meyer: „Deutschland muss sein Gewicht auf EU-Ebene zur Geltung bringen. Wir brauchen den Systemwechsel bei der Verteilung der EU-Agrarbeihilfen, um mehr Tierschutz im Stall zu gewährleisten und die enorme Leistung der Landwirte angemessen zu entlohnen.“ Das allein reiche jedoch nicht zur Finanzierung einer „Nationalen Nutztierstrategie“. Der AMK-Vorsitzende: „Flankiert werden muss das Ganze durch kreative Maßnahmen. So ist eine auch vom niedersächsischen Ex-Agrarminister Bartels ebenso wie von der CDU in Niedersachsen unterstützte Fleischabgabe durchaus vorstellbar.“

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Agrarminister Christian Meyer (links) informiert sich über die Obstanbauregion "Altes Land".
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Landwirtschaftsminister Meyer (links) testet Spezialitäten aus der BioStadt Bremen und des Genusslandes Bremen Niedersachsen.
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Die Holzarbeiten des Deutschen Kreativzentrums Holz aus Nienburg wecken das Interesse von Minister Meyer (rechts).
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Minister Meyer (Mitte) am Stand von Bioland
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Kontrovers und konstruktiv: Niedersachsens Agrarminister Meyer (rechts) im Gespräch mit Bauernpräsident Joachim Rukwied
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Agrarminister Meyer (links) zu Gast am Stand des Projektes "Eiweißfutter aus Niedersachsen"
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Der Verzicht auf das Schnabelkupieren bei Legehennen ist eines der Ziele des Tierschutzplans Niedersachsen, den Niedersachsen seit 2013 unter Rot-Grün vorbildlich und erfolgreich umsetzt.
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Agrarminister Meyer nimmt am Stand des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft eine Maschine zur Geschlechtsbestimmung am befruchteten Hühnerei in Augenschein.
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Landwirtschaftsminister Meyer (Mitte) im Gespräch am Stand des Heidekreises.
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Minister Meyer (rechts) probiert die Kartoffelspezialitäten der Landfrauen des Kreisverbands Lüneburg.

Artikel-Informationen

erstellt am:
20.01.2017

Ansprechpartner/in:
Klaus Jongebloed

Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Calenberger Str. 2
30169 Hannover
Tel: 0511-120-2095
Fax: 05 11/1 20-23 82

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