Geschichte der Nachhaltigkeit in Mitteleuropa
Eine Zeittafel
Frühes Mittelalter
„Capituallarede Villis“ von Karl dem Großen ist erste Gesetzgebung zu Rodungsverboten und Waldbewirtschaftung im deutschsprachigen Raum.
Hochmittelalter
Nachhaltigkeitsüberlegungen werden in den Satzungen der Markgenossenschaften (Gerechtsame) und in den Salinenverordnungen (Gebot des „ewigen Waldes“) festgeschrieben.
Ab Spätmittelalter
Erste einzelne lokale Ansätze einer modernen, planmäßigen Forstwirtschaft. Hier ist insbesondere die Aufforstung des Nürnberger Reichswaldes mit Nadelholzarten auf Initiative von Peter Stromer (1316-88) zu nennen.
Aufkommende absolutistische Territorialstaaten setzen Forstverwaltungen ein und reglementieren Holzverbrauch und Waldnutzung der Untertanen.
18. Jahrhundert
Obrigkeitliche Forstwirtschaft stellt den „Hiebsatz“, d. h. die kontinuierliche Produktion möglichst großer Mengen Holz, in das Zentrum ihrer Forstpolitik. Hans Carl von Carlowitz schreibt mit „Sylvicultura oeconomica“ das grundlegende Forstlehrbuch dieser Zeit. Dort erwähnt der Autor erstmals den Begriff „nachhaltende Nutzung“ im Sinne der Naturalnachhaltigkeit, wegen der Endlichkeit der Ressource Holz.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts setzt sich, beeinflusst durch die Aufklärung, eine Ansicht von Forstwirtschaft durch, die vernünftige und langfristige Planung zum Kern des Handelns macht.
Anfang 19. Jahrhundert
Der „Wertertrag“, d. h. das optimale Verhältnis zwischen Reinertrag und Verzinsung von Boden, Arbeit und Holzertrag, wird zum neuen Nachhaltigkeitskonzept der Forstwirtschaft. Große Forstwissenschaftler wie Heinrich Cotta (1763 – 1844) stehen für diesen methodischen Ansatz. Gerhard Ludwig Hartig (1764 – 1837) ergänzt dieses Konzept um die Berücksichtigung des „Vorteils“ für kommende Generationen.
Mitte 19. Jahrhundert
Langsame Abkehr der reinen ökonomischen Sicht auf den Wald. Dieser wird zunehmend als „Natur-System“ begriffen. Ertragsvermögen von Standort und Bestockung bestimmen von nun an das Verständnis von Nachhaltigkeit.
Anfang 20. Jahrhundert
Die ökologisch-funktionale Vernetzung des Waldes mit anderen Natursystemen (z. B. Wasser, Boden) und ihre Wechselwirkungen bestimmen zunehmend die Sicht der Forstwirtschaft auf den Wald.
Mitte 20. Jahrhundert
Entwicklung eines „multifunktionalen“ Nachhaltigkeitsverständnisses. Die Forstwirtschaft berücksichtigt gleichermaßen ökologische, ökonomische und sozial-gesellschaftliche Faktoren und Anliegen beim Waldmanagement.
1972
„Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome wird zum Manifest einer wachstumskritischen Ökologiebewegung. Es beschreibt Nachhaltigkeit (sustainability) erstmals in einem nicht forstwissenschaftlichen Kontext.
1987
Die UN-Kommission für Entwicklung und Umwelt veröffentlicht „Unsere gemeinsame Zukunft“. Das Werk wird als „Brundlandt-Bericht“ zum Ausgangspunkt der Nachhaltigkeitsdebatte in der internationalen Öffentlichkeit.
1992
Der erste globale Krisengipfel zur Nachhaltigkeit der Weltressourcen findet in Rio de Janeiro statt: die UNCED (inoffiziell Konferenz von Rio, Rio-Konferenz). Auf ihr wird u. a. die erste internationale Wald-Deklaration unterzeichnet.
1993
1. UN-Waldschutzkonferenz in Jakarta, Indonesien.
2010
Waldschutzkonferenz von Oslo beschließt die Gründung einer internationalen Waldschutzorganisation mit eigenem UN-Sekretariat für Waldschutz.
2013
Gedenkjahr „300 Jahre Nachhaltigkeit“ anlässlich der Prägung des Nachhaltigkeitsbegriffes durch von Carlowitz im Buch „Sylvicultura oeconomica“.
Kaum ein Begriff hat in den vergangenen Jahren so viel Karriere gemacht wie der der Nachhaltigkeit. Längst aber wurde er seiner eigentlichen Bedeutung beraubt.
Hans-Carl von Carlowitz (1645-1714), zeitgenössisches Porträt