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Agrarminister Meyer: Tausende Milchbauern in Niedersachsen existentiell bedroht

„Milch billiger als Mineralwasser“ – Grüne Agrarminister schlagen Mengenreduzierung vor und nehmen Bund in die Pflicht

HANNOVER.Kurz vor einem Treffen von Bundesagrarminister Christian Schmidt heute (Montag) Mittag um 12 Uhr mit seinen Ministerkollegen aus Frankreich und Polen richtet Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer einen dringenden Appell Richtung Berlin: „Das Mittags-Krisentreffen heute in der Hauptstadt kommt einem High Noon für den Milchmarkt gleich. Die Bauern erhalten für ihre Milch Erzeugerpreise von rund 26 Cent. Das ist billiger als Mineralwasser und ein unhaltbarer Zustand.“ Meyer weiter: „Minister Schmidt sollte sich endlich die vor Wochen vorgelegten Vorschläge der Agrarminister aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg zu Eigen machen. Sonst dreht sich die Preisspirale weiter nach unten und würde den Strukturwandel zu großen Kuhanlagen beschleunigen.“

Viele Tausende Milchbauern in Niedersachsen schreiben nach Meyers Worten Tag für Tag rote Zahlen. „Herr Schmidt muss sich an seinen eigenen Worten und Prognosen nach Ende der Milchquote messen lassen“, so der Minister. Erst Ende Juli habe Schmidt beteuert, „dass unsere Milch einen guten Preis wert sei und die Erzeuger davon leben können müssten. Heute Mittag ist der richtige Zeitpunkt, den Worten Taten folgen zu lassen.“

Meyer erinnerte an den Vorschlag der grünen Agrarminister, die von den Milchbauern der Europäischen Union zu zahlende millionenschwere Strafabgabe wegen Lieferung von zu viel Milch „nicht in den allgemeinen EU-Haushalt versickern zu lassen“. Gemeinsam mit Hessen werde Niedersachsen diesen Vorschlag auf der nächsten Agrarministerkonferenz Anfang Oktober in Fulda zur Abstimmung stellen. Meyer: „Der Bund muss jetzt Farbe bekennen, ob er nur alte, untaugliche Rezepte der Mengensteigerung vorlegen will, oder ob er den Milchbauern dauerhaft helfen will.“ Das Geld aus der Superabgabe wegen Überlieferung im letzten Jahr vor Auslaufen der EU-Milchquote im April dieses Jahres soll nach Niedersachsens Vorstellungen jenen Bauern zugutekommen, die freiwillig zu einer Mengenreduzierung beitragen und den Milchmarkt so entlasten, dass sich der Preis stabilisieren kann. Eine schnelle Mengenreduzierung sei möglich, so der Minister. „Allein schon durch eine veränderte Fütterung, indem man die Kraftfuttergaben reduziert.“

Zur Erinnerung: Die Straf- oder Superabgabe – allein in Deutschland beläuft sie sich auf rund 309 Millionen Euro – wird fällig, weil im letzten Jahr vor dem Auslaufen der EU-Milchquote im April 2015 zu viel Milch von den Landwirten produziert worden ist. Allein in Deutschland wurden über 30 Millionen Tonnen geliefert – etwa 1,1 Millionen Tonnen mehr als die damals noch gültige EU-Milchquote erlaubte, so dass die Superabgabe von mehr als 300 Millionen Euro zu zahlen ist.

Der Preis für konventionell erzeugte Milch macht derzeit vielen Landwirten zu schaffen: Teils liegt er derzeit bei unter 27 Cent pro Liter. Ähnlich prekär war die Lage vor etwa sechs Jahren; die Milchbauern protestierten damals, indem sie die Milch auf Feldern auskippten. Zurzeit sind die Milchbauern Niedersachsens und aus ganz Deutschland auf Sternfahrt nach München, um dort gegen das Abwarten der Bundesregierung zu protestieren. Meyer sagte, er halte die aktuelle Lage der Milchbauern für „massiv existenzbedrohend“. Der Minister: „Man muss sich das einmal klarmachen: Bei jährlich derzeit in Niedersachsen produzierter Milchmenge von rund 6,7 Millionen Tonnen, also 6,7 Milliarden Kilogramm Milch, sprechen wir über Umsatzeinbußen in Höhe von fast 800 Millionen Euro – und das allein in Niedersachsen.“ Rechnungen könnten nicht bezahlt, Investitionen müssten auf die lange Bank geschoben werden. „Der freie Milchmarkt wird zum Wirtschaftshemmnis für unsere Milchwirtschaft. Der Preissturz ist eine Kapitalvernichtung ohne Beispiel und treibt viele Milchbauern in den Ruin. Wir müssen deshalb gegensteuern“, so der Minister. Dazu sei dringend die Milchmenge im streng regulierten EU-Binnenmarkt zu reduzieren. Meyer: Wir müssen unseren Bauern helfen und dürfen keine Zeit mehr verlieren.“

Niedersachsens Vorschlag könne den Weg zu einer Lösung bereiten. Die bäuerliche Milchviehhaltung, so Meyer, sei „zentraler Bestandteil der europäischen Landwirtschaft. Das dürfen wir nicht einfach so auf dem Altar der Märkte opfern. Diese können nicht alles richten.“ Bundesminister Schmidt sei „auf dem Holzweg, wenn er meint, die Milchkreise über verstärkte Exporte in den Griff zu bekommen“. In Interviews hatte Schmidt angedeutet, der Nahe Osten sei ein möglicher Exportmarkt, und er werde die Lage im Iran genau beobachten. Dazu Niedersachsens Landwirtschaftsminister: „Ich halte eine solche Strategie für abwegig und riskant. Viel besser ist es, freiwillige Mengenreduzierungen durch Landwirte wirksam zu unterstützen und die verfügbaren Kriseninstrumente effizient zu nutzen.“ Mehr als 90 Prozent der Milch werde im EU-Binnenmarkt abgesetzt.

„Eine Exportoffensive zwingt zunehmend Bauern in die Knie, weil noch mehr Milch am Markt die Preise weiter drückt“, sagte Meyer. „Dann drohen sogar dauerhafte Weltmarktpreise von um die 20 Cent. Die viel bessere Lösung wäre eine konzertierte europaweite Aktion, um die Milchmenge zu drosseln.“ Der Preisverfall bei der Milch habe mit dem Überangebot zu tun. „Das sollte auch Bundesagrarminister Christian Schmidt einsehen und auf EU-Ebene einen Konsens herstellen – statt die französischen Bauern wegen ihrer Proteste zu kritisieren.“

Daten und Fakten zum Milchmarkt in Niedersachsen, Deutschland und Europa:

Die Erzeugerpreise liegen derzeit in Niedersachsen unter 27 Cent pro Kilogramm Milch. Die Tendenz ist eher fallend

Von 2010 bis 2014 ist die in Niedersachsen erzeugte Milchmenge von 5,73 Millionen Tonnen auf 6,68 Millionen Tonnen gestiegen. Das entspricht einem Zuwachs von 14,22 Prozent

Auch die Zahl der Milchkühe hat sich erhöht: Nach 776.442 Tieren im Jahr 2010 wurden 2014 insgesamt 849.500 Kühe gezählt, also 73.058 Tiere mehr. Das entspricht einem Anstieg um 8,6 Prozent

Die in Europa erzeugte Milchmenge ist im Zeitraum von 2010 bis 2014 gleichfalls angestiegen: von 149,33 Millionen Tonnen auf 160,71 Millionen Tonnen – also rund 11,38 Millionen Tonnen mehr und eine Erhöhung um 7,08 Prozent

Im März dieses Jahres lag der EU-Milchpreis bei durchschnittlich 31,6 Cent pro Kilogramm Milch – das sind sechs Prozent unter dem Schnitt der vergangenen fünf Jahre

Deutschland und Frankreich produzieren zusammen etwa 40 Prozent der Milchmenge in der EU

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
31.08.2015

Ansprechpartner/in:
Klaus Jongebloed

Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Calenberger Str. 2
30169 Hannover
Tel: 0511-120-2095
Fax: 05 11/1 20-23 82

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